Sharing Economy: “Eine Kulturtechnik des Überflusses”

Was hat Sharing mit Luxus zu tun? Wird die Sharing Economy sich weiter durchsetzen? Fragen an Harry Gatterer, den Geschäftsführer des Zukunftsinstituts.

Anbieter: zukunftsinstitut
Veröffentlicht: Mär 2016
Autor: Harry Gatterer
Preis: kostenlos
Studientyp: Blog & Paper • Trendforschung
Branchen: Arbeitswelt • Bau & Wohnen • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft
Tags: Disruption • Immobilien • Kulturtechnik • Shareconomy • Sharing Economy

Alle reden von der Sharing Economy. Wie stark ist dieser Trend schon in der Praxis in Österreich angekommen?

Sharing ist vor allem eines: eine Kulturtechnik des Überflusses. Und als diese ist sie auch in Österreich angekommen. Klar, es betrifft noch nicht alle Bereiche, die Wirtschaft ist – noch – keine andere geworden. Aber es sind letztlich die durch Sharing-Optionen entstehenden, neuen Anbieter auf den Märkten, die den Etablierten Sorge bereiten. Und das zurecht. Die Idee hinter dem Sharing entspricht einer Welt, in der es eigentlich keine Bedürfnisse mehr gibt. Alles ist gedeckt. Was wir zu steigern im Stande sind, ist in den allermeisten Fällen ausschließlich Komfort. Und der wird größer, je mehr Optionen wir haben. Daher ist die Entwicklung in Richtung Sharing auch nicht aufzuhalten.

Was wird sich dadurch beim Wohnen und Arbeiten ändern?

Auf das Wohnen angewandt, meint Sharing unterschiedliches: Zum einen werden die Zweit- und Drittverwendungen von Wohnungen – wie neuerdings gelernt durch AirBnB und dergleichen – sich weiter ausdehnen. Und dabei das Wohnen in den Tourismus treiben, was nicht nur das Wohnen, sondern auch die Reisebranche beeinflusst. Zum anderen werden wir zunehmend andere Orte als die eigenen vier Wände nutzen, um zu wohnen. Wir sharen dann Küchen, Wohnräume oder andere Raum-Gefüge für soziale Zwecke. Um sozusagen unser Leben auszudehnen, ohne den Aufwand unanständig in die Höhe zu treiben. Ein Luxus-Leben des 21. Jahrhunderts wird durch Sharing für viel mehr Menschen zugänglich. Auch, wenn wir es zum Teil nicht mehr schaffen, dies als Luxus zu erkennen, da wir sehr stark auf Mangel gepolt sind. Ein weiteres Szenario ist das Sharing von Flächen innerhalb von Gebäuden oder Quartieren. Auch hier sind erste Zeichen schon sichtbar und vermehren sich in die neuen Rituale des Wohnens.

Welche Auswirkungen wird das auf die Immobilienbranche haben?

Wir werden schlichtweg mehr Konzepte des Sharings brauchen. Traditionell ist die Immobilienwirtschaft eine innovationsträge Branche. Neue Konzepte dauern sehr lange, bis sie sich etablieren dürfen. Die Frage ist erstmal immer: Wer fängt an? Und zweitens: Dürfen wir das? Weil der Wohnbau sich auch sehr stark an den Regeln des öffentlichen Rechts orientieren muss. Daher werden wir langsam, aber sicher, dieses Sharing erleben. Der Druck auf den verdichteten Raum der Städte tut sein übriges, weil durch den noch steigenden Zuzug neue Konzepte gebraucht werden. Sharing kann auch hier eine gute Hilfe sein. Somit könnte in der neuen Kulturtechnik Sharing auch eine Lösung für Problemstellungen liegen. Wie gesagt, die Frage bleibt: Wer traut sich damit offensiv anzufangen?

Wie liegt Österreich bei diesem Trend im internationalen Vergleich?

Wie immer: eher am hinteren Ende der Idee. Allein im Prinzip Co-Housing zeigt sich, dass die Skandinavier da schon viel früher einen Zugang finden. Selbst in Deutschland ist man große Schritte voraus. Die vielen Wohnbau-Genossenschaften erkennen dort, dass im Sharing ihr Ur-Sinn auf völlig neue, moderne Art wiederkehrt. Und daher die Idee der quasi alten Genossenschaft hip und trendy wird. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Begeisterung des konservativen Flügels für eine Aufpeppung auch in Österreich seine Nachahmer finden könnte.

Ist die Sharing Economy eine Modeerscheinung oder ein nachhaltiger Trend?

Sharing ist, wie eingangs erwähnt, vor allem eine Kulturtechnik. Wir bewegen uns damit nicht im Bereich der Moden. Vielmehr bewältigen wir mittels des Teilens Probleme, die wir uns in unserer modernen Konsumgesellschaft selbst erzeugt haben. Daher ist es jedenfalls nachhaltig wirksam. So wie ich unlängst aus der Autoindustrie vernommen habe, dass man glaube, mit der Einführung von selbstfahrenden Autos würde das Sharing wieder aufhören – das glaube ich kaum. Im Gegenteil: Diese Art der Technologie wird dem Sharing sogar Aufwind geben. Und ist die Idee erst einmal breiter verankert, wird man ihr kaum mehr die Kraft nehmen können. Achtung: Das bedeutet nicht, dass es nicht doch den Wunsch nach Eigentum gibt oder nach Besitz und Selbstverwirklichung im Materiellen. Es ist nur nicht mehr so wichtig, weil es (fast) immer auch eine andere Option gibt.