Der Wahnsinn am Neuen Markt
Geldanlage in der heutigen Zeit ist ein schwieriges Thema. Zinsen sind nicht mehr existent. Bestenfalls gestatten die Banken es, dass Guthaben der Kunden auf Kontokorrent- oder Tagesgeldkonten ohne Berechnung von Strafzinsen liegen dürfen.
Anbieter: | marktmeinungmensch |
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Veröffentlicht: | Apr 2021 |
Preis: | kostenlos |
Studientyp: | Blog & Paper |
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Branchen: | Finanzdienste |
Tags: | Anlagen • Bitcoins • Finanzprodukte |
Meist allerdings nur bis zu einer gewissen Höhe oder mit einer gewissen Schonfrist. Die Preise für Immobilien erreichen täglich neue Höchststände und auch der Goldpreis nähert sich allmählich wieder dem Allzeithoch. Somit fällt der Blick der Investoren einmal mehr auf die Anlage in Aktien. Doch viele Anleger sind noch skeptisch. Denn ein Großteil der heutigen Aktienskeptiker oder -verweigerer hat sich beim Niedergang des Neuen Marktes im Jahr 2000 eine blutige Nase geholt - und dieser Stachel sitzt immer noch tief.
Der Aufstieg des Neuen Marktes
Alleine der Begriff "Neuer Markt" klang wie ein Versprechen auf unermesslichen Reichtum und brachte sogar bei sonst höchst konservativen Anlegern die Dollarzeichen in den Augen zum Leuchten. Eigentlich war die Einführung des Neuen Marktes im Jahr 1997 von einem guten und sinnvollen Gedanken begleitet. Der neu geschaffene Index sollte jungen, innovativen Unternehmen dabei helfen, an frisches Geld zu kommen, um ihre Produkte weiterzuentwickeln und dementsprechend zu wachsen. Man muss wissen, dass zur Zeit der Jahrtausendwende das Bankgeschäft ein anderes war als heute. Das Internet steckte damals noch in den Kinderschuhen, während heute Online Broker Österreich so zahlreich auf dem Markt vertreten sind, dass die Kunden ihre Wertpapiergeschäfte weitgehend selbst erledigen. Wer im Jahr 2000 aber Aktien kaufen wollte, musste in seine Hausbank marschieren und dort vorsprechen. Doch dies wurde keinesfalls als Hemmschwelle angesehen und die allermeisten Kunden erwiesen sich als beratungsresistent. Die Warnungen der Bankberater verhallten weitgehend ungehört. Bis zum Jahr 1996 war das Thema Aktien in Mitteleuropa eigentlich nur Finanzgenies vorbehalten. Otto Normalverbraucher wurde erst durch die Kampagne des Schauspielers Manfred Krug, der wortgewandt für die Telekom-Aktie warb, auf diese Anlageform aufmerksam.
Gier frisst Hirn
Was ein paar Jahre später folgen sollte, kann nur als Wahnsinn ohne jede Beteiligung von Vernunft angesehen werden. Plötzlich waren kleine Internetklitschen, die von ein paar halbwüchsigen Garagenschraubern betrieben wurden, mehr wert als die Deutsche Lufthansa. Denn alles was zu dieser Zeit mit Internet, Biotechnologie oder Mikrochips zu tun hatte, galt als bahnbrechende Zukunftsinvestition, gegen die alteingesessene, hochprofitable aber fantasielose Konzerne keine Chance hatten. Dass die meisten Start-up-Unternehmen, denen hier bereitwillig Abertausende von Euros nachgeworfen wurden, keinen nennenswerten Umsatz und erst recht keinen Gewinn generierten, war bedeutungslos. Wichtig war nur, dass sie es irgendwann tun könnten. Ein bisschen erinnert die Situation an die heutige Bitcoin Hysterie. Biedere Hausfrauen und kreuzbrave Handwerker sprachen plötzlich über nichts anderes mehr als Aktien, und auch wenn kaum jemand eine Ahnung davon hatte, was Halbleiter überhaupt sind, wollte dennoch jeder die Unternehmensanteile der Siemens-Tochter Infineon erwerben, die genau in diesem Sektor tätig war. Jede Aktie, die neu auf den Markt kam, wurde gezeichnet und die anfänglichen Gewinnsteigerungen waren tatsächlich enorm. Allerdings hatte in dieser Phase das Sterben des Neuen Marktes bereits begonnen. Kaum ein Unternehmen, das dort gelistet war, konnte seine Versprechen erfüllen. So begann ein rapider Verfall des Index, der am 21.3.2003 eingestellt wurde, nachdem er über 95 % seines Wertes eingebüßt hatte. Der Neue Markt war tot und viele Anleger hatten riesige Summen damit verloren.
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