Gewaltfreie Erziehung nur für die Hälfte in Österreich ideale Erziehungsform

11. Jan 2021 • News • Gallup • Marktforschung • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft • Bildung & Wissenschaft

Bereits zum vierten Mal im Abstand von ca. 4-5 Jahren führte die möwe – Kinderschutzzentren - eine repräsentative Befragung zur Einstellung und Bewusstsein zu Gewalt an Kindern in der österreichischen Bevölkerung durch. Im heurigen Jahr wurde zusätzlich die aktuelle Corona-Situation miteinbezogen und analysiert. Die Ergebnisse der Studie und das Fazit daraus wurden am 16.12.2020 im Rahmen einer online Pressekonferenz präsentiert.

Gewaltfreie Erziehung nur für die Hälfte der Befragten ideale Erziehungsform

Die Ergebnisse lassen in einigen Bereichen aufhorchen: Nach mittlerweile 30 Jahren des gesetzlich verankerten Gewaltverbots in der Erziehung antworten noch immer lediglich die Hälfte der Befragten, dass eine gewaltfreie Erziehung die ideale Erziehungsform sei. Etwas mehr als ein Fünftel kann sich auch heute noch keine Erziehung ohne zumindest leichte körperliche Bestrafungen vorstellen und etwa ebenso viele sind der Meinung, dass auch manchmal drastische Mittel eingesetzt werden müssen.

„Ein erschreckendes Ergebnis“, meint Hedwig Wölfl, Geschäftsführerin und fachliche Leitung der möwe „das zeigt, dass die Aufklärungsarbeit in diesem Bereich notwendig ist wie eh und je. Wir sehen tagtäglich bei den betroffenen Kindern, die zu uns in die Kinderschutzzentren kommen, vor allem die psychischen Auswirkungen, die Gewalt auf Kinder haben kann“.

Psychische Gewalt von vielen nicht als Gewalt wahrgenommen

Gewalt wird nach wie vor primär mit körperlicher Gewaltanwendung in Verbindung gebracht. Aussagen zur körperlichen Gewalt wie „der achtjährige Sohn bekommt von seinem Vater eine Tracht Prügel, weil er großen Mist gebaut hat“ werden von 89% der Befragten als Gewalt eingestuft oder die Ohrfeige vom Nachbarn, weil das Kind ein Fenster eingeschlagen hat, wird lediglich von 82% als gewalttätig gewertet. Die Expert*innen schließen daraus, dass unter manchen Umständen Gewalt nach wie vor als „gerechtfertigt“ angesehen und damit bagatellisiert wird. Psychische Gewalt, wie das Anschweigen von Kindern oder das Lächerlich-Machen vor Freunden wird noch deutlich weniger als gewalttätig erkannt: Das Nicht-mehr-Sprechen mit dem Kind oder Drohungen, dass man das Kind nicht mehr lieb haben wird, werden lediglich von rund 70% mit Gewalt am Kind assoziiert.

Mehr als die Hälfte der Befragten sehen die gewaltfreie Erziehung als ideale Erziehungsform (Note 1), etwas mehr als ein Fünftel teilen ebenfalls diese Ansicht (Note 2)

Die aktuellen Rahmenbedingungen haben aus Sicht der Befragten einen deutlichen Einfluss auf die Gewalterfahrungen. Zwei Drittel gehen von einem höheren Ausmaß häuslicher Gewalt aus, knapp 60% sind der Ansicht, dass psychische und körperliche Gewalt gegen Kinder als Folge der Covid 19- Pandemie häufiger vorkommen, rund ein Drittel sehen auch eine Zunahme bei sexueller Gewalt bzw. Vernachlässigung.

57% der Befragten sind der Meinung, dass sich die Politik verstärkt um die Anliegen der Kinder zu deren Schutz und Wohl kümmern soll. 13% sehen bei der Politik eine Vernachlässigung des Themas, 28% sind mit dem Engagement der Politik zufrieden.