Über 1,5 Millionen Menschen in Österreich sind 2015 von Armut oder Ausgrenzung betroffen

14. Apr 2016 • News • Statistik Austria • Sozialwissenschaftliche Studie • Statistik • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft • Arbeitswelt

Nach Definition der Europa 2020-Strategie sind im Jahr 2015 1,5 Millionen Menschen in Österreich, darunter 380.000 Kinder und Jugendliche, von Armut- oder Ausgrenzung gefährdet. Das entspricht 18 Priozent der Gesamtbevölkerung. Risikogruppen: Ein-Eltern-Haushalte, Langzeitarbeitslose und Personen mit ausländischer Herkunft

Im Jahr 2015 ist in Österreich von rund 1.551.000 Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten nach Definition der Europa 2020-Strategie auszugehen, das entspricht 18,3% der Gesamtbevölkerung. Der Indikator „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung“ umfasst die drei Zielgruppen „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Deprivation“ und „Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität“. 13,9% der Bevölkerung waren im Jahr 2015 armutsgefährdet, 3,6% der Gesamtbevölkerung waren erheblich materiell depriviert und 8,2% (nur Personen unter 60 Jahren) lebten in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. Da diese Merkmale in Kombination auftreten können, ist die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten geringer als die Summe der drei Einzelindikatoren.

Armut und soziale Ausgrenzung 2015: mehr als 1,5 Millionen Menschen in Österreich betroffen

1.551.000 Menschen oder 18,3% der Bevölkerung galten in Österreich 2015 laut Statistik Austria als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Sie hatten ein niedriges Haushaltseinkommen, mussten erhebliche Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen hinnehmen oder lebten in Haushalten mit geringer Erwerbsbeteiligung. Wie die aktuelle EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) zeigt, war ein Viertel der Betroffenen (385.000 Personen) mit mehr als einer dieser drei Gefährdungslagen gleichzeitig konfrontiert. Insgesamt reduzierte sich die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung Betroffenen in Österreich seit 2008. Dennoch besteht für bestimmte Bevölkerungsgruppen nach wie vor ein hohes Risiko für soziale Benachteiligung. Dazu zählen etwa Ein-Eltern-Haushalte, kinderreiche Familien, Langzeitarbeitslose, Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft und gering Qualifizierte. Auch 380.000 Kinder und Jugendliche (22% der Unter-20-Jährigen) lebten in Haushalten mit Ausgrenzungsgefährdung und waren dadurch in vielen Bereichen von sozialer Teilhabe ausgeschlossen.

2015 gab es 1.551.000 Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete – um 148.000 weniger als 2008

Die gemäß dem Armutsreduktionsziel der Europa 2020-Strategie definierte Sozialzielgruppe umfasste im Jahr 2015 1.551.000 Personen in Österreich bzw. 18,3% der Bevölkerung. Von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohte Personen wiesen mindestens eines der drei folgenden Merkmale auf: Armutsgefährdung (13,9% bzw. 1.178.000 Personen), erhebliche materielle Deprivation (3,6% bzw. 302.000 Personen) oder Leben in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität (8,2% bzw. 526.000 Personen). Damit liegt Österreich deutlich unter dem für 2014 berechneten EU-Durchschnitt von 24,5%. Entsprechend dem EU-Ziel, soziale Eingliederung zu fördern und Armut zu verringern, zeigt sich in Österreich eine sinkende Tendenz in der Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung seit Beginn des Beobachtungszeitraums (2008: 20,6%, 2015: 18,3%). Der Reduktion um rund 148.000 Personen seit 2008 stehen jedoch weiterhin besonders gefährdete Personengruppen gegenüber.

Risikogruppen: Ein-Eltern-Haushalte, Langzeitarbeitslose und Personen mit ausländischer Herkunft

Alle Faktoren, welche die Verdienstchancen im Haushalt verringern, gehen mit erhöhter sozialer Benachteiligung einher. Dazu zählen unter anderem eingeschränkte Erwerbs- bzw. Betreuungsmöglichkeiten, wie sie für Haushalte mit einem Elternteil oft gegeben sind – so hatten Ein-Eltern-Haushalte mit 42% die höchste Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung. Das zweithöchste Risiko nach dem Haushaltstyp tragen Familien mit mindestens drei Kindern (29%). Neben bestimmten Haushaltskonstellationen sind Staatsbürgerschaft, Bildung und die Verankerung im Erwerbsprozess wesentliche Faktoren, die über gesellschaftliche Teilhabechancen bestimmen. Langzeitarbeitslose (49% bei sechs bis elf Monaten Dauer der Arbeitslosigkeit und 67% bei mindestens 12 Monaten) und Menschen aus Nicht-EU-/EFTA-Staaten (46%) zählen zu den am häufigsten mit Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung konfrontierten Personengruppen. Bei niedrigem Ausbildungsniveau ‒ Personen, die maximal einen Pflichtschulabschluss besitzen – besteht mit 28% ebenfalls eine überdurchschnittliche Ausgrenzungsgefährdung.

380.000 Kinder und Jugendliche von sozialer Ausgrenzung bedroht

Fast ein Viertel (24% bzw. 380.000 Personen) der Armuts- und Ausgrenzungsgefährdeten waren Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren. Das Risiko sozialer Ausgrenzung lag für diese Altersgruppe mit 22% über dem der Gesamtbevölkerung (18,3%). Die Möglichkeiten sozialer Teilhabe für Kinder und Jugendliche aus betroffenen Haushalten unterscheiden sich bereits deutlich von jenen der Gleichaltrigen ohne Gefährdungsrisiko: So ist es 34% nicht möglich, an kostenpflichtigen Freizeitaktivitäten wie Sport- oder Musikkursen teilzunehmen (17% sind in Haushalten ohne Ausgrenzungsmerkmal betroffen). Jedes zweite Kind (48%) aus einem armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten Haushalt muss auf einen jährlichen Urlaub verzichten (15% in Haushalten ohne Ausgrenzungsmerkmal). Es ist für diese Kinder mit drohender Armutsgefahr viel häufiger nicht möglich, Freunde zum Spielen oder Essen einzuladen (15% gegenüber 6% in Haushalten ohne Ausgrenzungsmerkmal) und Feste zu feiern (8% gegenüber 3%). Soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen wird also vielfach über die ökonomische Situation des Elternhaushalts bestimmt, wobei junge Menschen aus ausgrenzungsgefährdeten Haushalten wesentliche Einschränkungen erfahren.